Im Iran sieht man niemals ein einziges weibliches Haar, die Frauen laufen alle in langen Mäntel herum und sehen aus wie wandelnde Mülltonnen. Alles ist Wüste Wüste Wüste und nochmals Wüste und die Menschen sind Fremden gegenüber, insbesondere solchen aus Europa, unfreundlich. Niemand hilft uns wenn wir Probleme haben und es ist schwierig mit irgendwem ins Gespräch zu kommen. Autofahren grenzt an Selbstmordversuch insbesondere in Teheran welches nur aus engen Gässchen und Lehmhäusern besteht. Der Islam wird hier von jedem bis aufs Wort ernst genommen und sobald das ohrenbetäubende Geschrei der Muhezins fünf mal am Tag losgeht steht das ganze Land still und jeder legt sich hin um in Richtung Mekka zu beten. Amahedineschad ist hier so etwas wie ein Gott und Vorbild von allen….
NICHTS von allem was ich soeben geschrieben habe ist wahr. Das ist alles gelogen.
Für mich ist es eigentlich keineswegs überraschend, dass die Menschen im Iran sehr freundlich und gastfreundlich sind, doch trotzdem übertrifft, dass was wir hier antreffen alles was ich mir denken konnte. Die Frauen tragen zwar tatsächlich alle Mäntel, aber die gehen normalerweise nur knapp über die Hüfte und kommen in einer Vielfalt die seines gleichen sucht. Ich als Mann empfinde die Iranerinnen im Mittel als modischer als europäische Frauen. Die Kopftücher werden getragen, aber von einem Grossteil der Frauen werden die Regeln bis ans absolute Limit strapaziert. Nur selten verdecken die Kopftücher wirklich alle Haare und in den Städten nehme ich das Kopftuch meist nur noch als modischen Trend und nicht als Symbol für den Islam wahr.
Ich glaube es ist schlicht unmöglich durch den Iran zu Reisen ohne mit Iranern ins Gespräch zu kommen oder zu irgendwas eingeladen zu werden. Sei es zum Tee oder zum Gratis parken oder uns wurden auch Autobahngebühren geschenkt. Hintergedanken? Bei zwei Fällen hatten wir das Gefühl, dass es der betreffenden Person bei seiner Freundlichkeit darum ging den Iran in ein gutes Licht zu stellen, denn es wurde immer wieder nachgefragt, ob wir den Iran gut finden. Ansonsten? Freundlichkeit und Gastfreundschaft von Herzen und geprägt von einer natürlichen Neugier und dem Drang mit uns Fremden ins Gespräch und in einen Austausch zu kommen.
Alles Wüste? Nein natürlich nicht! Direkt nördlich von Teheran erheben sich Berge bis zu 5500 Meter Höhe und fallen dann innerhalb von knapp 100km auf fast 0 Meter zum Kaspischen Meer ab. Dieses immense Gefälle führt in diesen Breitengraden zu einem Naturschauspiel, dass mir den Atem verschlug. Wir fuhren durch dieses Gebirge von Teheran aus. Aus alpenähnlichen, schneebedeckten Bergen werden innerhalb weniger Kilometer zuerst braune Graswüsten, dann Tannenwälder gefolgt von herbstfarbenen Laubwälder. Ein paar Kilometer weiter und tiefer läuft das Jahr rückwärts ab und die selben Laubwälder stehen noch grün in voller Blüte und noch ein wenig weiter werden die Wälder fast ein wenig tropisch und nach knapp einer Stunde Fahrt steht man an einem Strand und es hat sogar Palmen. Wir trauten unseren Augen kaum. Atemberaubend war auf der Seite zum kaspischen Meer leider auch der Abfall, der von den picknickbegeisterten Iranern an jedem mehr oder weniger leicht erreichbaren Platz zurückgelassen wurde. Solche Schweinereien habe ich bisher nur in Griechenland gesehen. Die Türkei und der grössere Teil von Iran sind wenigstens „akzeptabel“ sauber.
Auf dem Rückweg nach Teheran „verirrten“ wir uns dann absichtlich in den Bergen und wurden nach 3 Stunden Fahrt, welche am Schluss auf einer reinen Sandpiste auf über 2000M endete, mit einemÜbernachtungsplatz belohnt, der seines gleichen sucht! Die Rundreise zum kaspischen Meer machten wir um die Wartezeit für das Indienvisum zu überbrücken für welches wir noch mals nach Teheran mussten.
Teheran selbst ist riesig, eine moderne Metropole mit sechspurigen Highways quer durch alles durch, kleine Gässchen gibt es hier ebensowenig wie Lehmhäuser. Die Stadt ist sehr aufgewühlt und der Verkehr ist wirklich anstrengend. Ich hatte das oft gehört, aber so „brutal“ wie erzählt wurde fahren die Iraner nicht. Es wird einfach jeder Zentimeter ausgenutzt, dreispurige Strassen werden wortlos zu vierspurigen um den Verkehrsfluss aufrecht zu halten und wenn man sich nicht an den Verkehrsfluss der Iraner anpasst und versucht „eigentliche“ Regeln für sich geltend zu machen steht man mit jedem anderen Fahrzeug auf Kriegsfuss. Selber Schuld wer das tut, sobald man mal Taxi gefahren ist, merkt man, dass alles eigentlich viel weniger aggressiv ist, als man zuerst denken würde. Ich fuhr quer durch ganz Teheran, mitten durch alles, und ich habe insgesamt nur drei mal gehupt. Das soll mir mal einer nach machen 🙂 Es ist eigentlich bemerkenswert wie schnell und flüssig der Verkehr im Iran ist selbst wenn die Strassen überfüllt sind. Überfüllt sind die Strassen aber nur in grossen Städten, ansonsten sind die Strassen meistens eher leer. Staus ausserorts gibts hier nicht. Hier zu fahren erinnert mich übrigens oft an ein Computerspiel, denn ausser den Lastwagen gibt es im Iran nur ganz wenige verschiedene Autos. Das wirkt dann wie die generisch erzeugten Autos in einem Computerspiel, die alle gleich aussehen. Es gibt Kia „prides“, Peugeot 405s, Renaults, hyundais und ein paar iranische Typen, die aber meist nur die Kias oder Peugots mit iranischem label sind. 🙂 Wirklich schlimm ist der Verkehr aber für Fussgänger. Das macht gar keinen Spass und da hat der Iran allem Verkehrsfluss zum Trotz noch viel zu lernen. In der Stadt eine iranische Strasse zu Fuss überqueren benötigt eine ganz bestimmte Technik und viel Mut. Aber damit gehts.
Die Muhezins im Iran sind viel weniger aufdringlich als in der Türkei, leise säuseln sie fast von ihren Türmen und wir hören sie eigentlich nur selten. Die Gebetsräume die es überall gibt sind meistens leer und in 3 Wochen Iran haben wir nur einmal jemanden öffentlich beten sehen. Uns schien es als ob es relativ wenige Leute geben würde, die den Islam wirklich ernst nehmen, besonders in den Städten. In vielen Gesprächen habe ich verschiedene religiöse und politische Ansichten erfahren, doch eins haben alle gemeinsam: Niemand ist zufrieden mit der Regierung insbesondere Amadineschad. Es gibt zum Beispiel die ganz einfachen Bürger, die etwa so Moslems sind wie in der Schweiz manche Christen. Zum Beispiel Menschen die in die Religion geboren wurden, vielleicht mal ein Gebet sprechen, an Gott glauben und vielleicht auch mal in die Moschee gehen aber dem ganzen nicht sonderlich viel Bedeutung zumessen. Vielen davon geht es gut genug um nicht ihren Kopf zu riskieren und sich offiziell gegen die Regierung zu stellen, obwohl sie eigentlich nicht zufrieden damit sind. Es gibt aber auch die, die zwar auf dem Papier Moslems sind, aber mit Religion gar nichts am Hut haben und umgekehrt solche, die Religion sehr ernst nehmen. Die letzteren sind sicherlich viel zahlreicher als gleichartige Christen in der Schweiz, aber viel seltener als so mancher wohl denken würde
Manche Frauen empfinden das Kopftuch als Last, andere würden es auch freiwillig anziehen weil sie es als Schutz empfinden. Einig sind sie sich darin, dass die Kopftuchpflicht ihr geringstes Problem ist, aber wenn man im Iran unterwegs ist bekommt man von der Unterdrückung der Regierung nichts mit, das ist erstaunlich. Dann gibt es auch noch die „Perser“ wie ich sie nenne. Sie empfinden den Islam als aufgezwungen und orientieren sich an dem eigentlichen Persien und dessen Kultur so wie es vor der (gewaltsamen) Islamisierung existiert hat. Einen überaus beeindruckenden Rest dieser Kultur haben wir in Persepolis besichtigt. Die Ruinen lassen die Akropolis in Athen fast klein aussehen. Die „Perser“ sind der Ansicht, dass „Religion“ an und für sich nicht zu einem „Iraner“ passt und die wahren „Perser“ eigentlich instinktiv Religion ablehnen. Der Name „Iran“ kam übrigens mit der Islamisierung vor über 1000 Jahren, vorher war es Persien. „Persien“ war in der „Scha“ Periode Mitte 20. Jahrhundert kurz wieder der Name des Landes. Als das islamische Regime unter Komeni das Land übernahm wurde der offizielle Name wieder „Iran“. Dann gibt es noch die „Ches“ wie ich sie nenne, die Iraner die einfach nur Freiheit wollen, egal ob islamisch oder nicht.
Unter dem Strich bleibt für mich der Eindruck, dass einige Moslems die in Europa leben den Islam (vielleicht auch unter dem Druck der Ausgrenzung und Dämonisierung) viel ernster nehmen, als der Grossteil der Moslems im Iran oder in der Türkei. Diese wenigen extremen Moslems bei uns, aber auch im Ausland machen aber wiederum viel Wirbel um viele Kleinigkeiten und vermitteln so ein falsches Bild von der islamischen Welt. Als Beispiel die Minarettabstimmung in der Schweiz: Hier wusste davon niemand mit dem ich gesprochen habe und als ich ihnen davon erzählte blieben extreme Reaktionen aus. Der „Perser“ befürwortete die Entscheidung natürlich sogar. Wenn wir sagen, dass wir aus der Schweiz kommen, dann ist die Reaktion IMMER: aaaaaaaah Suisse!! Das „aaaaaaah“ hat dabei den „ach viel Geld“ Unterton, den man als Schweizer im Ausland gut kennt. Man denkt an Uhren und Wohlstand und damit hat es sich. Einem Iraner habe ich erzählt, dass wir Bilder gesehen haben wie man auf den Strassen schweizer Fahnen verbrennt habe nach der Minarettabstimmung. Das sei eine Routinehandlung von Extremisten, mehr nicht. Fahnen würden immer gerne verbrannt, sagte er.
Je länger ich hier bin, desto mehr das Gefühl, dass in Europa eine Anti-Islamstimmung fast schon bewusst durch die Medien und die Politik geschaffen wird. Menschen in Europa die sich vor der Ausgrenzung in den Islam flüchten, die ihn zu Ernst nehmen und an die grosse Glocke hängen und kleine Gruppen von Extremisten weltweit liefern das Futter und lenken von der grossen Masse an Moslems und der Wahrheit ab: Nämlich, dass es sich bei allem schlechten was man über den Islam hört um eigentlich unbedeutende Minderheiten handelt. Ist der Islam nun gut oder schlecht? Das ist irrelevant. Unterdrückung ist schlecht. Im Iran und anderen Ländern werden die Menschen mit dem Islam im Hintergrund ihrer Freiheit beraubt und Extremisten rechtfertigen Terror mit dem Islam. Die „Hetze“ gegen den Islam in Europa scheint unter dem Gesichtspunkt fast gerechtfertigt. ABER! Eigentlich geht es den Betreffenden (Unterdrückern) aber um Macht und der Islam (Wie Religion so oft) ist nur Mittel zum Zweck. Die Hetze richtet sich aber gegen jeden Moslem und somit gegen die Falschen. In Europa werden Moslems weil sie Moslems oder Fremde oder Ausländer sind ausgegrenzt und unterdrückt was einzelne davon wiederum zu Extremisten oder Kriminellen macht was sich wiederum gut gegen die Gesamtheit der Moslems verwenden lässt. Ein Teufelskreis.
Das Indienvisum haben wir jetzt endlich in der Tasche. Das ging in Teheran ganz kurz und schmerzlos. Nach 7 Tagen hatten wir es. Nach dem wunderschönen Esfahan sind wir zu der Persepolis gefahren (Danke Sam!) und dort haben wir Sina und André getroffen, zwei ganz tolle Menschen die mit ihrer 2 jährigen Tochter Eva und ihrem riesigen 4×4 Laster-Wohnobil auf der gleichen Route sind wie wir. Wir entschlossen uns mit Ihnen an den persischen Golf und später durch Pakistan weiter zu ziehen, weil der Teil der Strecke im Konvoi besser und sicherer zu bewältigen ist. Am Golf ist es endlich wieder richtig warm! Die ständigen Minustemperaturen in der Nacht, die wir seit der Türkei aushalten mussten, schlugen langsam auf die Stimmung. Nach ein paar Tagen in der Wärme war die Stimmung sofort wieder top!
Allerdings wird das Bild vom Iran am persischen Golf arg angeknackst. Die Freundlichkeit der Menschen ist hier oft so wie es die Vorurteile der Europäer wohl erwarten würden. Unfreundlich, überlegenes Getue, aggressiv. Am persischen Golf leben viele Araber (nein, das ist nicht das gleiche wie Iraner) und verschiedene Stimmen behaupten, dass das der Grund für das unfreundlichere Klima sei. Das kann ich nicht beurteilen, aber klar ist, wir fühlen uns hier nicht so wohl wie im Norden und werden des öfteren beschissen oder auch im Verkehr mit Handfuchteleien beschimpft, ganz wie in der Schweiz. Auch die Muhezins sind hier viel aufdringlicher.
Hier unten haben wir zum ersten mal gigantische Ölförderungsanlagen gesehen. Hässlich aber auch beeindruckend. Insgesamt haben wir im Iran übrigens vier Atomkraftwerke gesehen, die sich noch im Bau befinden. Zu dem in Busher hat mir ein Passant und Gasturbineningenieur gesagt, dass neuerdings Russen und nicht mehr Deutsche das Ding bauen und das deren Arbeit schlecht sei und die ganze Stadt Angst vor einer Katastrophe habe. Hmmm.
Wir haben am Golf ein paar wunderschöne Plätze am Meer geniessen können. André hat ein sagenhaftes Gespür für abgelegene Plätze und hat und zu ein paar wagemutigen Offroadfahrten verführt. Hätte nicht gedacht was der HiAce alles mitmacht 🙂 . Nein keine Angst, keine leichtsinnigen Sachen!
Mahtmi, so heisst unser Bus jetzt, läuft top, fast, ein Quietschen am linken Vorderrad und ein wenig Öl an der Gummidichtung der Antriebswelle haben uns beunruhigt, aber dank Fabio’s SMS-Support wissen wir das das Quietschen von der Bremse kommt und ungefährlich ist und die Dichtung noch eine Weile hält. Nach 170000km musste die ja mal kommen. Normaler Verschleiss.
Seit der Türkei fahren wir maximal 100 kmh und auf den vielen geraden Strecken belohnt uns unser Bus mit einem Verbrauch von 7-9 Liter Diesel pro 100 km. Für ein 3 Tonnen Fahrzeug ist das einfach nur Hammer geil! Im Iran ist das aber nur für die Umwelt relevant, denn eine Tankfüllung, 60 Liter, kostet uns nur knapp über 1 Fr, 20 Liter Wasser kosten dafür 6 Fr… Das kommt uns nach den 2 Fr pro Liter Diesel in der Türkei (3 Fr für Benzin) gerade gelegen, staatliche Subventionen sei Dank. 🙂
Übrigens: Da hier Alkohol verboten ist gibt es auch kaum Bier, was mich nicht sonderlich stört. Im Gegenteil, denn als Kompensation gibt es hier eine umfangreiche Palette an bierähnlichen Getränken ähnlich dem schweizer „Bilz“ oder Panasch oder Radler. Nur gibt es die hier in allen möglichen Geschmacksrichtungen. Lecker!